Stakeholder und Entscheidungsfindung: B2G vs B2B

Ein Blick in den Sitzungssaal zeigt es sofort: Im B2G tummeln sich deutlich mehr Personen am Entscheidungstisch als im B2B. Wer entscheidet? Im klassischen B2B meist eine überschaubare Runde – vielleicht der Abteilungsleiter, der Einkaufschef und die Geschäftsführung, die sich relativ direkt einigen. In der Welt der Behörden hingegen kann die Entscheiderlandschaft einem kleinen Ökosystem gleichen. Ein typischer Vergabeprozess auf Regierungsseite involviert oft Dutzende Beteiligte auf mehreren Ebenen. Da gibt es technische Prüfer, Einkaufsspezialisten, Finanzcontroller, Juristen, Fachabteilungsleiter, politische Entscheidungsträger und manchmal sogar externe Gutachter. Jeder bringt eigene Prioritäten und Bewertungskriterien mit – und jeder hat faktisch ein Veto, wenn seine Anforderungen nicht erfüllt werden.

Die Entscheidungsfindung im öffentlichen Sektor ist daher zwangsläufig bürokratischer und mehrstufiger. Hier wird nichts im Alleingang entschieden. Während in Unternehmen oft eine einzelne Person (etwa der Geschäftsführer) den Daumen heben oder senken kann, verteilt sich die Macht bei Behörden auf viele Schultern. Technische Gremien prüfen die Leistungsfähigkeit einer Lösung, Vergabestellen achten akribisch auf die Regelkonformität, Finanzabteilungen checken den Budgetrahmen. Das Unternehmen als Bieter muss all diese Gruppen parallel überzeugen – ein Versagen bei nur einer Stelle kann das Aus bedeuten. Im B2B würde man in so einem Fall vielleicht persönlich nachhaken oder einen Influencer im Buying Center identifizieren; im B2G läuft das Risiko, an einer unsichtbaren Hürde zu scheitern, die in irgendeinem Paragrafen oder Gutachten versteckt ist.

Für den Vertrieb heißt das: Beziehungsmanagement funktioniert im B2G nur eingeschränkt auf der persönlichen Ebene. Natürlich ist Networking auch mit Behördenvertretern wichtig, aber am Ende zählen objektive Kriterien und Gremienentscheidungen mehr als der berühmte Nasenfaktor. Die wahre Kunst besteht darin, intern bei der Behörde Fürsprecher auf allen Ebenen zu finden, ohne die formalen Grenzen zu überschreiten. Das B2G-Geschäft erfordert somit ein feines Gespür für politische und organisatorische Dynamiken – und die Fähigkeit, komplexe Entscheidungsprozesse geduldig zu navigieren.


Weiterlesen & Hintergrund:

Wer ein paar Überlegungen im Kontext Shopware 6 sucht, findet auf meinem Blog altundwillig.de die passenden Grundlagen, Zwischenstände und ehrlichen Gedanken zum Thema B2G-E-Commerce:

siehe auch: Shopware-B2G – Nachschlagewerk (GitHub)

Die Notizen sind bewusst roh gehalten – eher Arbeitsjournal als Hochglanzbroschüre. Perfekt, wenn du lieber aus echten Projekten lernst als aus PowerPoint-Folien.

Hinweis: Persönliche Aufzeichnungen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder formale Richtigkeit. Aber mit Haltung.