Warum Arbeitszeiterfassung komplizierter ist, als man denkt

Ein Projektbericht aus der Grauzone zwischen Technik, Recht und Ethik

Ich arbeite seit ein paar Monaten an einer Anwendung zur Arbeitszeiterfassung.
Technisch ist dieses Projekt übersichtlich – ein paar Modelle, Zeitstempel, Reports, vielleicht eine Mobile App.
Inhaltlich aber ist es deutlich anspruchsvoller, als ich am Anfang gedacht habe.

Während ich mich in anderen Projekten durch API-Dokumentationen klicke, wälze ich hier Gesetzestexte, Verordnungen und Gerichtsurteile.

Keine fest definierten Endpunkte, dafür ein Haufen „könnte“, „sollte“, „müsste“.

YAGNI und KISS sind in meinem Kopf Gebot – aber dieses Projekt steckt voll von „Nichts ist in Stein gemeißelt“.

Der betriebswirtschaftliche Rahmen ist vergleichsweise klar:
Zeiterfassung spart Verwaltungsaufwand, verbessert Projekt-Controlling, hilft bei Ressourcenplanung, sichert faire Entlohnung und schützt das Unternehmen vor rechtlichen Risiken – besonders, wenn es bald ernst wird mit den Bußgeldern für fehlende Erfassungspflichten[1].

Was mir allerdings Bauchschmerzen bereitet, ist der rechtliche Rahmen.
Nicht, weil die Gesetze unverständlich wären – sondern weil vieles noch auf Gerichtsurteilen basiert und (noch) nicht gesetzlich kodifiziert ist[2].
Das BAG hat entschieden, dass Arbeitszeiterfassung verpflichtend ist[3], aber das Gesetz, das dies konkret regelt, steht noch aus[4].
Dazwischen: eine Grauzone aus Referentenentwürfen, Kommentierungen und branchenübergreifender Spekulation.

Und dann wären da noch die anderen „Layer“:

  • Datenschutz: Arbeitszeit ist personenbezogen[5], bei biometrischer Authentifizierung wird’s richtig kritisch[6].
  • UX / UI: Wer will schon ein weiteres Tool, das sich wie Pflichtbürokratie anfühlt?
  • Ethik und Moral: Wie viel Kontrolle ist zumutbar, wenn man Vertrauen erhalten will?
    Wie formuliere ich ein Produkt, das fair ist – nicht nur compliant?

Kurz:

So ein richtig geiles Projekt.
Weil: Einfach wäre mir vermutlich zu langweilig.

Fußnoten:

  1. Betriebswirtschaftliche Risiken bei fehlender Zeiterfassung und geplante Bußgeldregelungen: BAG-Urteil 2022 und Referentenentwurf zur ArbZG-Novelle (2023).
  2. Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht auf Basis EuGH- und BAG-Urteil, ohne dass ein neues Gesetz verabschiedet wurde.
  3. BAG, Beschluss vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21): Einführungspflicht für Arbeitgeber.
  4. BMAS-Referentenentwurf (Stand 2023): elektronische Erfassung, Aufbewahrungspflicht, Übergangsfristen geplant.
  5. DSGVO Art. 4 Abs. 1: Arbeitszeitdaten = personenbezogen.
  6. DSGVO Art. 9: Biometrische Daten (z. B. Fingerabdruck) sind besonders schützenswert.

Das Design ist (meistens) nicht das Problem

Wenn ein Online-Shop nicht funktioniert, ist der erste Reflex fast immer derselbe:
„Wir brauchen ein Redesign.“

Neue Farben, neue Typografie, ein Slider, der größer wirkt.
Als ließe sich Relevanz durch Schärfentiefe ersetzen.

Doch meistens ist das Design gar nicht die Ursache.
Es ist nur die sichtbare Oberfläche, an der sich die Unklarheit entlädt.

Schlechtes Design kann wehtun,
aber oft ist es nur das Symptom einer tieferliegenden Gleichgültigkeit.


Das Unsichtbare wiegt mehr

Was viele für ein Designproblem halten,
ist oft ein Richtungsproblem.

Sichtbarkeit, Vertrauen, Ladezeit, Sprache –
die leisen Dinge entscheiden darüber,
ob jemand bleibt oder weiterklickt.

Man kann nichts verkaufen, was niemand findet.
Und niemand vertraut etwas, das sich selbst nicht versteht.


Wenn der Lack zu früh kommt

Design ist kein Motor, sondern ein Verstärker.
Es lässt nur sehen, was ohnehin da ist –
oder eben nicht.

Viele Projekte polieren zuerst den Lack
und wundern sich später, dass der Wagen nicht anspringt.

Die Ursachen sind fast immer banal:
Langsame Seiten, schwache Inhalte,
fehlende Struktur, kein klares Ziel.

Design kann all das schöner machen.
Aber Schönheit allein bewegt nichts.


Strategie statt Kosmetik

Ein Redesign kann helfen.
Aber es ersetzt keine Haltung.
Keine klare Sprache, keine erkennbare Position.

Bevor man also Farben diskutiert,
sollte man sich fragen:

Wird man gefunden?
Wird man verstanden?
Wird man vertraut?

Drei Fragen, die wichtiger sind
als jede Farbpalette.


Fazit

Design ist das, was man sieht.
Erfolg ist das, was bleibt.

Gutes Design schafft Vertrauen –
aber Vertrauen entsteht nicht durch Farbe,
sondern durch Orientierung.

Das eigentliche Redesign beginnt da,
wo man aufhört, die Oberfläche zu betrachten,
und anfängt, das Fundament zu reparieren.


Ich hab ChatGPT meinen Blog lesen lassen

Mangels Leserschaft und abgeschalteter Kommentarfunktion
(mit mir ist schlecht Kekse essen) habe ich ChatGPT meine letzten Beiträge in diesem sträflich vernachlässigten Blog lesen lassen.

Das Fazit: ernüchternd. und eine Menge @todos +

Ernüchternd auch, weil ich mich doch insgeheim für einen Schreiberling halte, – aber ich stelle fest, dass die Maschine meine Texte nicht halb so charmant findet wie ich.

– und das ich was, die Recherche betrifft, ebenbürtig halluziniere.

Im Folgenden die Anmerkungen von ChatGPT und – vielleicht – noch ein paar von mir. Aber eigentlich will ich das so stehen lassen. gelobe aber Besserung.


1. „In Maschinenstunden verrechnet – Warum Agenturen, die Zeit verkaufen, ihre Seele verscherbeln“

Maschine:

Der Text setzt früh die Prämisse „Zeit gegen Geld ist falsch“, diskutiert aber Gegenbeispiele nur knapp. Übergänge (Kritik → Hybridmodell → Beispielrechnung) sind sprunghaft. Die praktische Umsetzung von Wertmodellen bleibt diffus; Risiken und Grenzen werden nur angerissen. Haltung schwankt zwischen „Zeitdenken ist gefährlich“ und „hybrid geht auch“.

Korrigierte Version: „Preislogiken sollten Wissen, Risiko und Vertragsspielräume abbilden – mit klaren Mechanismen für Transparenz, Anpassung und Absicherung, statt nur Aufwand in Stunden zu verrechnen.“


2. „Wert statt Stunden – ein Praxis-Framework ohne Bullshit“

Maschine:

Das 5-Schritte-Gerüst ist nützlich, aber an einigen Stellen idealtypisch: Stakeholder-Widerstände, Messprobleme und Fehlschlag-Szenarien werden zu wenig konkret. Preisformate sind brauchbar, brauchen jedoch Kontext (Branche, Reifegrad, Governance). Risiken werden genannt, aber nicht mit Beispielen unterfüttert.

Korrigierte Version: „Nutze einen adaptiven Pfad mit expliziten Unsicherheiten, geplanten Schleifen und Beispiel­szenarien; kombiniere Wertmodelle mit Transparenz, Proof-of-Value und vertraglichen Backups.“


3. „Zwischen Excel und Vertrauen“

Maschine:

Starke Beobachtung („Excel sperrt das Unbekannte in Zellen“), aber die Brücke von Haltung zu Handwerk bleibt stellenweise vage. „ROI-Rahmen“ und „Wenn-dann-Logik“ sind gut, bräuchten jedoch konkrete Muster (z. B. Beispiel-Formeln, interne Verteidigungsargumente für Einkauf/Controlling). Der Vertrauensbegriff bleibt breit.

Korrigierte Version: „Übersetze Wertgespräche in rechnungsfähige Artefakte: schlanke ROI-Skizzen, Trigger-Klauseln, variable Meilensteinpreise – damit Controlling und Einkauf belastbar argumentieren können.“


4. „Marktgröße und Chancen: B2G vs B2B“

Maschine:

Chancen werden überzeugend gezeichnet, jedoch ohne präzise Einschränkungen (Branche, Region, Vergabereife). Risiken wie Single-Client-Abhängigkeit, verfahrensbedingte Verzögerung, Politikzyklen bleiben zu pauschal. Empfehlungsteile sind generisch („Risiken streuen“, „Vorleistungen erbringen“) – es fehlen Leitplanken.

Korrigierte Version: „B2G bietet Volumen und Stabilität, verlangt aber Szenarioplanung: Portfolio-Diversifizierung, Puffer für Verfahrenszeiten, Exit-Optionen und Governance-konforme Vorleistungen.“


5. „Beschaffungsprozesse: B2G vs B2B“

Maschine:

Gute Gegenüberstellung, aber Prozessschritte bleiben teils abstrakt. Kritische Pfade (Budgetbindung, Bekanntmachung, Fristen, Nachweise) könnten mit Minimal-Checklisten, typischen Laufzeiten und „Don’ts“ greifbarer werden. Der Unterschied zwischen Verfahrensarten wird nur angerissen.

Korrigierte Version: „Zeige je Verfahrensart (offen, nicht-offen, Verhandlungsverfahren) die Muss-Nachweise, üblichen Fristen, Kill-Kriterien und interne Vorbereitungen in einer Kurz-Checkliste.“


6. „Compliance-Anforderungen: B2G vs B2B“

Maschine:

Pflichten (z. B. Informationssicherheit, Dokumentation, Nachweise) sind korrekt skizziert, jedoch ohne Reifegrad-Stufen. Ohne „Minimal Viable Compliance“ wirkt der Einstieg hochschwellig. Verweis auf Normen/Leitfäden sinnvoll, aber konkrete Artefakte/Beispiele fehlen (z. B. Rollen, Vier-Augen-Prinzip, Nachweisführung).

Korrigierte Version: „Formuliere eine stufenweise Compliance-Roadmap (Essentials → Advanced), mit konkreten Artefakten: Verantwortlichkeitsmatrix, Nachweisliste, Audit-Spickzettel, jährliche Prüfzyklen.“


7. „Stakeholder und Entscheidungsfindung: B2G vs B2B“

Maschine:

Die Vielstimmigkeit im B2G wird anschaulich, aber das operative „Wie überzeugen wir wen, wann, womit?“ bleibt dünn. Rollen sind benannt, jedoch ohne klare Mapping-Strategie (Einfluss, Einwände, Beweise). Ohne Sequenz/Orchestrierung wirkt es beratend, nicht navigierend.

Korrigierte Version: „Mappe Stakeholder auf Einfluss/Einwand-Profile, ordne Belege (Pilot, Referenz, Risiko-Mitigation) zu und definiere eine Kontakt-Sequenz inkl. Dead-Ends und Eskalationspfaden.“


8. „Preisgestaltung und Ausschreibungsstrategien: B2G vs B2B“

Maschine:

Gute Trennung von Verfahren, aber taktische Implikationen bleiben abstrakt (z. B. keine Nachverhandlung im offenen Verfahren → wie kalkulieren?). Der Umgang mit Zuschlagskriterien (Preis/Güte) sowie Nebenangebote wird nur gestreift. Es fehlen Muster für Kalkulationspuffer und Risiko-Preismechanik.

Korrigierte Version: „Lege pro Verfahrensart Kalkulationsregeln offen (Puffer, Risiko-Spread, Varianten), zeige Zuschlagsmatrizen und formuliere ‚Harness-Texte‘ für Nebenangebote/Sozialkriterien.“


9. „Marketing und Kommunikation: B2G vs B2B“

Maschine:

Schlüssig, dass Transparenz/Neutralität im B2G anders wirken als im B2B. Dennoch bleiben Kanäle/Taktiken unscharf (Vorab-Markterkundung, Bekanntmachungen, Pre-Tender-Dialoge). „Sprache der Verwaltung“ wird erwähnt, aber nicht mit Beispielen (Formulierungen, No-Go-Vokabular) konkretisiert.

Korrigierte Version: „Definiere B2G-Kommunikationspfade: Teilnahmen an Markterkundungen, Fristen-Radar, sachliche Claim-Sprache, und Leitformulierungen, die Verwaltungslogiken bedienen.“


10. „Langfristige Partnerschaften: B2G vs B2B“

Maschine:

Die Idee von Kontinuität und Vertrauen ist richtig, aber ohne Vertrags- und Governance-Beispiele bleibt es abstrakt. Es fehlen Mechanismen (Rahmenverträge, EVB-IT-ähnliche Muster, SLA-Treppen), die zeigen, wie „langfristig“ operativ abgesichert wird.

Korrigierte Version: „Zeige, wie Rahmenwerke (Rahmenverträge, Verlängerungsoptionen, SLA-Treppen, KPIs) Partnerschaften belastbar machen – inkl. Beispiel-Klauseln und Review-Rhythmus.“


11. „B2G-Artikel & Quellen“

Maschine:

Nützliche Linkliste, aber wenig Einordnung: Wofür nutze ich welche Quelle – Entscheidungsgrundlage, Formvorschrift, Prozessverständnis? Ohne kommentierte Kurzzusammenfassungen bleibt der Transfer am Leser hängen.

Korrigierte Version: „Ergänze pro Link eine Ein-Satz-Annotation (Zweck, typischer Einsatz, Stolperstein) und markiere Pflichtlektüre vs. Nice-to-read.“


12. „Vertriebszyklen: B2G vs B2B“

Maschine:

Der Marathon-Vergleich trägt; dennoch fehlen belastbare Bandbreiten (typische Fristen je Verfahren) und konkrete Taktiken für Durststrecken (Zwischenziele, Meilenstein-Nachweise). Ohne Metriken (z. B. Angebots-zu-Zuschlag-Ratio) bleibt es erzählerisch.

Korrigierte Version: „Hinterlege Zeitbandbreiten pro Verfahrensart, Zwischenmeilensteine und Monitoring-Metriken (z. B. Frist-Hit-Rate, Nachweis-Vollständigkeit) für realistische Pipeline-Steuerung.“


13. „Vom Epic zum Task – Jira Workflow Spickzettel“

Maschine:

Praktisch, aber stark team-/tool-spezifisch. Ohne Prinzipien (z. B. Definition of Ready/Done, Schnittstelle zu Produktzielen, Umgang mit Blockern) bleibt es ein lokaler Spickzettel. Es fehlen Minimal-Standards für Übergaben und Qualitätssicherung.

Korrigierte Version: „Verknüpfe Workflow-Schritte mit Prinzipien (DoR/DoD, Akzeptanzkriterien, Blocker-Protokoll) und liefere 1–2 universelle Muster-Workflows als Vorlage.“


14. „Halluzinationen sind keine Erfindung von LLMs“

Maschine:

Die Kernthese trägt (Menschen halluzinieren fachlich), aber Beispiele bleiben tech-zentriert. Chancen für breitere Praxis (Fachkommunikation, Validierungsrituale, Pairing mit Domäne) werden nur angerissen. Der Schluss ist stark, könnte jedoch mit klaren Anti-Halluzinations-Routinen schließen.

Korrigierte Version: „Schließe mit konkreten Gegenmitteln: gemeinsame Glossare, Review-Checklisten, Fakten-Pings, Pair-Design Fach+Tech, Risiko-Flags und ‚Stop-the-Line‘-Kriterien.“


15. „Wie ich eine Seite lese“

Maschine:

Gute Heuristiken angedeutet, aber ohne demonstratives Live-Beispiel (eine Seite, Schritt-für-Schritt-Lesung). Es fehlt die Übertragbarkeit: Wann bricht die Heuristik? Welche Signale sind Täuschungen? Ohne Negativbeispiel bleibt es Ratgeberhaft.

Korrigierte Version: „Zeige eine echte Seite im Walkthrough (Hypothese → Evidenz → Gegenprüfung) und dokumentiere Fehlschlüsse, um die Grenzen deiner Leselogik zu markieren.“


Worauf ich in Zukunft achten sollte

🧭 Stilistische Orientierung – mein roher Stil vs. Maschinenklarheit

  • Bewahre den Rhythmus, aber bremse den Sprung. Meine Texte denken schneller als sie sprechen. Übergänge markieren („anders gesagt“, „um es konkreter zu machen“), damit Leser:innen folgen können.
  • Lass Sätze atmen, aber nicht taumeln. Lange Sätze nur, wenn sie Tempo tragen. Maschinen hassen Nebensätze – Leser:innen lieben sie, wenn sie kontrolliert sind.
  • Vermeide innere Dopplungen. Kernaussagen (z. B. „Wert statt Zeit“) nicht mehrfach leicht verändert wiederholen. Eine starke Formulierung reicht.

⚙️ Argumentation – Unschärfe als Stilmittel, aber bewusst

  • Jede These braucht einen „Aber-Moment“. Starke Behauptung → mindestens ein Gegenargument. Mehr Tiefe ohne Zahmheit.
  • Begriffe definieren. „Wert“, „Vertrauen“, „Hybridmodell“ – einmal pro Text präzisieren, dann frei verwenden.
  • Konkretion schlägt Eleganz. Ein Beispiel oder eine Mini-Anekdote stabilisiert stärker als drei schöne Adjektive.

🧠 Struktur – Denken zeigen, aber ordnen

  • Eröffne mit Haltung, nicht Moral. Beobachtung („Was mir auffällt …“) zieht stärker als Urteil („Was falsch läuft …“).
  • Setze einen inneren Pfad. Jeder Text folgt idealerweise Irritation → Einsicht → Ausweg. Nicht im Konflikt hängenbleiben.
  • Kontraste rahmen. Widersprüche ankündigen („Ich weiß, das widerspricht sich gleich … aber genau da liegt der Punkt“).

🧩 Inhaltlich – Tiefgang ohne Nebel

  • Praktische Beispiele einbauen. Aus dem Maschinenraum erzählen (Shopware, Agentur, Jira …) gibt Theorien Gewicht.
  • Zeige den Preis deiner Ideen. Ideale mit ihren Kosten (Risiko, Missverständnisse, Mut) benennen – das macht glaubwürdig.
  • Balance zwischen Poesie und Prozess. Emotion darf glühen, aber Technik muss geerdet bleiben.

🔍 Revision & Qualitätssicherung – ohne den Witz zu verlieren

  • Maschinisches Gegenlesen aktiv nutzen. Dieselben Fragen stellen: „Ist es nachvollziehbar?“, „Wo fehlen Beispiele?“, „Wo springe ich?“
  • Erst roh, dann zähmen. Erste Fassung darf schwitzen – zweite Runde ist fürs Schärfen, nicht fürs Sterilisieren.
  • Ein schiefer Satz am Ende. Ein roher, unperfekter Satz hält den Text lebendig – mein Fingerabdruck gegen Perfektion.

Errata & Revisionsempfehlungen

🧨 1. Wirtschaft / Geschäftsmodelle

  • Thema: „In Maschinenstunden verrechnet“ & „Wert statt Stunden“
  • Beobachtung: Der Stundensatz wird als grundsätzlich falsches Modell dargestellt. In der Praxis ist er jedoch oft rechtlich oder kaufmännisch notwendig.
  • Empfehlung: Präzisieren, dass sich die Kritik auf die Denkweise bezieht, nicht auf die Vertragsform.
    Beispiel: „Auch wenn wir weiter Stunden abrechnen, sollten wir intern in Wirkung kalkulieren.“

🏛️ 2. Öffentlicher Sektor (B2G)

  • Marktzahlen & Abhängigkeiten: Aussagen über Marktgröße und Auftragsvolumen sind korrekt, aber kontextabhängig. Ergänze Einschränkungen nach Branche, Region, Vergabeverfahren.
  • Compliance-Pflichten: Unterscheide zwischen rechtlich vorgeschrieben (z. B. Fristen, Nachweise) und empfohlen (z. B. ISO, Vier-Augen-Prinzip). Das erhöht Glaubwürdigkeit.
  • Ausschreibungsverfahren: Beschreibungen sind formal richtig, aber stark idealtypisch. Hinweis ergänzen: „In der Praxis verwischen die Grenzen zwischen den Verfahrenstypen.“

💬 3. Sprache & Haltung

  • Beobachtung: Manche Aussagen wirken wie objektive Wahrheiten („Zeitverkauf ist Sünde“), obwohl sie subjektiv gemeint sind.
  • Empfehlung: Kleine Marker setzen: „Ich glaube“, „In meiner Erfahrung“, „Gefühlt“.
    So bleibt der Text Haltung, kein Dogma.

🧩 4. Technische und Prozessuale Details

  • Thema: Jira / Workflows / Agenturprozesse
  • Beobachtung: Workflows werden als quasi-standard beschrieben. In Wahrheit hängen sie stark von Teamgröße, Kultur und Projektart ab.
  • Empfehlung: Formulierung öffnen: „Dieser Workflow funktioniert für mittlere Agenturen – in Produktteams gelten oft Varianten.“

🧠 5. Künstliche Intelligenz & Halluzinationen

  • Beobachtung: Vergleich Mensch ↔ LLM ist poetisch, aber technisch ungenau.
    KI „halluziniert“ statistisch, nicht psychologisch.
  • Empfehlung: Kurzer Hinweis reicht:
    „‚Halluzination‘ ist hier metaphorisch – gemeint ist fehlende Faktentreue, keine Wahrnehmungsstörung.“

🪞 6. Metaebene – Ton und Selbstbild

  • Beobachtung: Du schreibst oft im Manifest-Ton, aber die stärksten Passagen entstehen, wenn du tastest statt predigst.
  • Empfehlung: Mehr Beobachtung, weniger Verkündung.
    Formulierungen wie „Ich ringe mit der Idee …“ oder „Vielleicht …“ machen dich nahbar, ohne die Schärfe zu verlieren.

Work in Progress: Gedanken zu New Work und Arbeitsverträgen

Ein paar Gedanken, keine fertigen Thesen. Ich beobachte nur – und manchmal wundere ich mich.

Disclaimer: Kein Rechtsrat. Nur ein Versuch, Ordnung in ein Thema zu bringen, das sich selbst ständig neu erfindet – und dabei immer wieder an den alten Strukturen hängen bleibt.

Verträge, die mehr über uns sagen, als uns lieb ist

Ich habe in den letzten Jahren viele Verträge gesehen. Manche waren so alt, dass man spürte, sie stammen aus einer Zeit, in der man Faxnummern noch ernsthaft in Kontaktlisten schrieb.
Andere so modern, dass man sie kaum noch verstand. Zwischen beiden Extremen liegt die Realität: Verträge sind immer auch ein Spiegel der Kultur, in der sie entstehen.

Wenn wir also über New Work reden, dann müssen wir auch über Verträge reden.
Denn sie zeigen, ob wir wirklich etwas verändert haben – oder nur neue Begriffe auf alte Gewohnheiten geklebt.

Die Stechuhr, die niemand wollte, aber alle brauchen

Der EuGH hat entschieden, das Bundesarbeitsgericht hat nachgezogen: Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit erfassen.
Kein Interpretationsspielraum, kein Wenn und Aber. Nur das passende System fehlt noch.

Das Interessante ist: Die Entscheidung war nie das Problem.
Das Problem war, dass wir Zeiterfassung mit Misstrauen verwechseln.
Dabei ist sie, richtig gedacht, ein Schutzmechanismus.
Nicht gegen den Arbeitgeber, sondern gegen die Entgrenzung.

Weil „flexibel arbeiten“ schnell heißt: immer erreichbar.
Weil „Vertrauen“ zu oft bedeutet: kein Plan, wann du aufhörst.

Die Zeiterfassung ist also nicht das Ende von New Work.
Vielleicht ist sie ihr Realitäts-Check.

Wenn Ziele nur so tun, als wären sie klar

Ich habe schon viele Kick-offs erlebt, in denen alle „an einem Strang ziehen“ wollten – bis sich herausstellte, dass niemand wusste, in welche Richtung.
Das ist kein böser Wille, sondern das Produkt unklarer Erwartungen.
Wir reden über Visionen, aber schreiben keine Definitionen.

In der Theorie klingt das nach Freiheit.
In der Praxis ist es ein Burnout auf Raten.

Ein Vertrag ist kein Gegner, sondern ein Geländer.
Er hilft, dass wir wissen, wann wir loslassen dürfen.

Frithjof Bergmann würde sich wundern

Der Begriff New Work stammt vom Philosophen Frithjof Bergmann.
Sein Ziel war nicht die nächste Version von „Work-Life-Balance“, sondern eine neue Definition von Arbeit selbst – als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.

Heute bedeutet New Work oft: Slack, Homeoffice und ein Obstkorb mit Applaus.
Selbstbestimmung? Eher Selbstorganisation.
Verantwortung? Ja, aber bitte im Rahmen des Projektplans.

Ich glaube, Bergmann würde schmunzeln.
Und dann sehr leise fragen: „Ist das wirklich neu?“

Zielvorgabe oder Zielvereinbarung?

Wenn man New Work ernst nimmt, dann sollte man über Sprache reden.
Es ist ein Unterschied, ob etwas vorgegeben oder vereinbart wird.
Das eine sagt: „Mach das.“
Das andere sagt: „Lass uns überlegen, wie wir’s schaffen.“

Ich kenne kaum ein Unternehmen, das beides verwechselt, ohne dass es am Ende wehtut.
Für Vertrauen braucht es klare Worte – nicht viele, aber echte.

Realität schlägt Vision – jeden Montagmorgen

Ich mag den Gedanken, dass Arbeit sich verändern kann.
Aber ich glaube auch, dass wir uns selbst gern vormachen, wir seien schon weiter, als wir sind.

Viele Unternehmen reden über Agilität, haben aber Angst vor echten Entscheidungen.
Sie reden über Vertrauen, kontrollieren aber Slack-Status.
Sie reden über Freiheit, zählen aber Minuten in Jira.

Vielleicht ist New Work gar kein Zustand.
Vielleicht ist es nur die höflichere Art, zu sagen:
„Wir versuchen’s wenigstens.“

Fragen, die bleiben

  • Wie viel Freiheit kann ein Vertrag aushalten, bevor er seine Funktion verliert?
  • Wie definieren wir Verantwortung, wenn Kontrolle nicht mehr der Maßstab ist?
  • Wie kann ein Entwicklervertrag Freiheit und Schutz gleichzeitig bieten?
  • Und was heißt eigentlich „vertrauensvoll zusammenarbeiten“, wenn keiner mehr die Zeit stoppt – aber alle erschöpft sind?

Quellen & Lesestoff

  • EuGH-Urteil C-55/18 – Pflicht zur Arbeitszeiterfassung (BMAS)
  • BAG 1 ABR 22/21 – Dokumentationspflicht (BAG)
  • APuZ 46/2023 – New Work und die Zukunft der Arbeit (bpb.de)
  • Haufe: Vertrauensarbeitszeit und Zeiterfassung (haufe.de)
  • Bertelsmann Stiftung: New Work – Potenziale & Stolpersteine (PDF)

Nachtrag: Vielleicht ist das alles gar kein Widerspruch – sondern einfach nur Arbeit, die endlich ehrlich wird.

Halluzinationen sind keine Erfindung von LLMs

Und das Problem auf Annahmen basierender Umsetzung in der Webentwicklung.
Warum eine gut recherchierte, faktenbasierte Umsetzung das Leben einfacher macht – für alle Beteiligten.

Zwischen Bauchgefühl und Fakt

„Halluzinationen“ sind bei großen Sprachmodellen ein bekanntes Problem – aber in Wahrheit sind sie kein technischer Defekt, sondern ein Spiegel menschlicher Arbeitsweise.

Auch in der Webentwicklung entstehen viele Entscheidungen nicht aus Wissen, sondern aus Annahmen:
„Das wird schon funktionieren“, „So hat’s beim letzten Projekt geklappt“ oder „Der Kunde will das bestimmt so“.

Das Ergebnis? Fehlentwicklungen, unnötige Schleifen, Frust auf beiden Seiten.

Fakten schlagen Fantasie

Eine gut recherchierte, faktenbasierte Umsetzung spart Zeit, Geld und Nerven.
Sie beginnt mit Fragen statt Annahmen:

  • Was genau ist das Problem, das gelöst werden soll?
  • Welche Anforderungen ergeben sich daraus fachlich?
  • Welche Annahmen sind unbewiesen – und müssen überprüft werden?

Entwicklung ist kein Ratespiel. Sie ist eine Übersetzung von Realität in Code.

Der Kunde als Fachexperte

Es ist wichtig, mit dem Kunden zu sprechen – nicht, um ihm Technik zu erklären,
sondern um seine Perspektive und Expertise zu verstehen.

Der Kunde kennt sein Problem besser als wir.
Wir Entwickler:innen verstehen den Teil mit dem Code.

Erst, wenn beides zusammenkommt – fachliche Wahrheit und technische Umsetzung – entsteht Qualität.

Was bleibt

„Halluzinationen“ sind keine exklusive Eigenschaft von KI-Systemen.
Sie passieren überall dort, wo Menschen ohne Fakten, ohne Austausch und ohne Validierung arbeiten.

Die beste Gegenmaßnahme?
Reden. Recherchieren. Reflektieren.

So entsteht Software, die nicht nur funktioniert – sondern versteht.

Notiz: Gute Kommunikation ist kein Overhead, sondern die Debugging-Phase der Realität.

Vom Epic zum Task – Jira Workflow Spickzettel

  1. Notiz: Kurzer Überblick, wie aus einer Idee ein umsetzbarer Task wird – vom großen Epic bis zum kleinsten Arbeitsschritt.

1. Epic – das große Warum

Ein Epic beschreibt ein übergeordnetes Ziel oder Thema, das mehrere Teilbereiche umfasst.
Es ist der Rahmen für ein zusammenhängendes Vorhaben, z. B. „Shopify Basis Theme erstellen“ oder „UX-Überarbeitung Checkout“.

  • Beschreibt den Nutzen und die Vision
  • Wird in Features oder Stories unterteilt
  • Dient der langfristigen Planung

2. Story – das greifbare Ziel

Eine User Story übersetzt das Epic in ein konkretes Ergebnis aus Nutzer:innen-Perspektive.

„Als Nutzer:in möchte ich das Farbschema im Theme testen können, um ein konsistentes Design sicherzustellen.“

  • Fokussiert auf den Mehrwert für Nutzer:innen
  • Definiert Akzeptanzkriterien
  • Kann geschätzt und priorisiert werden

3. Task – der Umsetzungsblock

Ein Task beschreibt die konkrete Arbeit, die nötig ist, um eine Story umzusetzen.
Er ist klein genug, um in einem Sprint abgeschlossen zu werden.

  • Beispiel: „CSS-Variablen für Farbthemen definieren“
  • Kann in Sub-Tasks unterteilt werden
  • Hat klare Done-Kriterien

4. Workflow – vom To-Do bis Done

Der klassische Jira-Ablauf:

  1. To Do – Aufgabe ist definiert
  2. In Progress – in Bearbeitung
  3. In Review – Code- oder Designprüfung
  4. Testing – Funktion wird geprüft
  5. Done – abgenommen und abgeschlossen ✅

Optional: Status wie „Blocked“ oder „On Hold“ markieren Abhängigkeiten.

5. Best Practices 💡

  • Klarheit vor Geschwindigkeit: Jede Story braucht ein „Warum“.
  • Tasks sind messbar: Immer mit Ergebnis oder Output abschließen.
  • Verknüpfungen nutzen: Stories mit ihren Epics und Tasks verbinden.
  • Review nicht vergessen: Ein Done ohne Review ist nur fast fertig.
Spickzettel für den Alltag:
Vom Epic zum Task ist kein bürokratischer Weg – es ist der Weg, aus Ideen Realität zu machen.

Wie ich eine Seite lese

  1. These: Ich lese Webseiten nicht wie andere Menschen. Ich lese sie wie ein Psychogramm.
Nicht, was sie sagen, interessiert mich zuerst – sondern was sie versuchen, zu sagen.Ich sehe Call-to-Actions wie Handbewegungen: ein ausgestreckter Arm, mal bittend, mal drohend.

Ich höre Unterüberschriften wie Tonlagen, fühle, wo jemand überzeugen will – und wo er nur Angst hat, nicht gehört zu werden.

Manchmal erkennt man in einer Landingpage mehr über ein Unternehmen als in jedem Presseinterview. Weil dort die nackte Psychologie steht, verpackt in Conversion-Rhetorik.


Das Muster

Fast jede gute Seite folgt demselben Erzählalgorithmus:

  • ProblemLösungBeweisVertrauenAktion.

Das ist kein Geheimnis. Es ist Dramaturgie.

Der gleiche Aufbau, den Aristoteles für Tragödien beschrieben hat, nur mit einem anderen Endgegner: dem Absprung zur Konkurrenz.

Aber was mich interessiert, ist das Dazwischen: die Mikropausen, die verschwiegenen Übergänge, die emotionale Logik. Der Moment, in dem eine Marke von „wir helfen dir“ zu „bitte kauf“ kippt. Dort sitzt der wahre Text.


Die Psychologie dahinter

Jede Seite spricht drei Sprachen:

  1. die offizielle („Wir sind Marktführer“),
  2. die emotionale („Hab uns bitte lieb“),
  3. und die implizite („Wir wissen nicht, ob du uns glaubst“).

Diese drei Ebenen sind selten synchron. Und genau das ist der Grund, warum Seiten selten ehrlich klingen.

Die Corporate Voice sagt Sicherheit, der CTA schreit Angst, und das Design flüstert Überforderung.

Ich lese das wie einen Code: nicht in HTML, sondern in Haltung.

Der CTA als emotionales Symptom

Ein guter CTA ist kein Knopf. Er ist ein Bekenntnis.

„Kontakt aufnehmen“ kann nach Selbstbewusstsein klingen – oder nach Verzweiflung.

„Jetzt starten“ kann nach Mut riechen – oder nach Panik.

Man spürt, ob ein Unternehmen Vertrauen hat, weil seine Aufforderungen nicht laut werden müssen. Und man erkennt Unsicherheit daran, dass alles „jetzt“ passieren soll. Wie jemand, der Angst hat, dass man gleich wieder geht.


Was mich wirklich interessiert

Ich lese Seiten, um zu verstehen, wie Menschen über Menschen denken.

  • Eine Produktseite erzählt mir, wie sehr eine Firma an Rationalität glaubt.
  • Eine Teamseite zeigt mir, wie sie Hierarchien versteht.
  • Ein Footer verrät mir, ob sie an Ordnung glaubt oder an Kontrolle.

Ich lese den Text, und dann lese ich das Dahinter: die Psychologie der Prioritäten, den Rhythmus der Angst, den Versuch, aus Unsicherheit Design zu machen.


Und am Ende

Jede Webseite ist ein Gespräch zwischen zwei Unbekannten: jemand, der überzeugen will, und jemand, der nicht überzeugt werden möchte. Ich lese, um zu sehen, ob zwischen diesen beiden überhaupt noch Platz ist für Wahrheit.

Und manchmal, ganz selten, finde ich eine Seite, die nicht versucht, mich zu führen, sondern einfach sagt:

„Hier sind wir. Und wenn du bleibst, schön.“

Dann weiß ich: Jemand hat den Algorithmus verstanden – und ihn vergessen, als es wichtig wurde.

Zwischen Excel und Vertrauen

Teil 3 der Serie über das Ende der Maschinenstunden

„Kund:innen lieben Excel, weil es das Unbekannte in Zellen sperrt. Vertrauen ist schwieriger zu summieren.“

1) Der Realitätscheck

Wertbasierte Modelle klingen schön, solange niemand eine Budgetzeile ausfüllen muss.
Spätestens, wenn der Einkauf fragt, „Wie viele Stunden sind das denn?“, landet man wieder dort,
wo alles begann: im Maschinenraum der Kalkulation.

Der Übergang von Zeitverkauf zu Wertschöpfung ist also weniger Revolution als Reifungsprozess –
psychologisch, organisatorisch und kommunikativ. Und der wichtigste Schritt darin ist:
den Kunden dort abzuholen, wo sein Controlling wohnt.

2) Warum Excel nicht der Feind ist

Tabellen sind kein Zeichen von Misstrauen. Sie sind eine Sprache der Sicherheit.
Wer Wertmodelle verkaufen will, sollte also nicht gegen Excel kämpfen, sondern es übersetzen.

  • „So tickt das Controlling“ verstehen: Budgets werden selten nach Gefühl freigegeben.
  • „ROI-Rahmen“ anbieten: Wertmodelle dürfen Zahlen enthalten, sie müssen nur Outcome-bezogen sein.
  • „Wenn-dann-Logik“ nutzen: Zeige, wie sich der Preis verändert, wenn das Ziel schneller oder besser erreicht wird.

Je klarer du erklärst, wie dein Preis entsteht, desto leichter kann der Kunde ihn intern verteidigen.
In Wahrheit ist das schon der erste Vertrauensbeweis.

3) Das Gespräch vor dem Vertrag

Der Unterschied zwischen klassischer Kalkulation und Wertgespräch liegt nicht im Preis,
sondern in der Haltung, mit der man über ihn spricht.

Drei Sätze, die Vertrauen schaffen, bevor das Excel-Sheet geöffnet wird:

  • „Ich will verstehen, was für Sie Erfolg bedeutet, bevor wir über Aufwand reden.“
  • „Mir geht es nicht um Ihre Stunden, sondern um Ihre Sicherheit, dass Sie das Richtige bekommen.“
  • „Wenn wir merken, dass der Effekt kleiner ist als gedacht, reduzieren wir den Preis. Deal?“

Diese Sätze verändern den gesamten Gesprächsrahmen. Sie verschieben die Beziehung von Kostenschätzung zu Partnerschaft auf Probe.

4) Werkzeuge für die Übergangsphase

  • „Dual Pricing“: biete Stundenbasis und Wertmodell nebeneinander an – gleiche Leistung, andere Logik. So entsteht Vergleich statt Druck.
  • „Outcome-Appendix“: ergänze jedes Angebot um drei messbare Ziele, selbst wenn du noch stundenbasiert abrechnest.
  • „Learning Retainer“: fixe monatliche Summe, aber Fokus auf Erkenntnisse statt Deliverables. Nach drei Monaten kann daraus ein Wertvertrag werden.
  • „Transparenz-Dashboard“: zeig regelmäßig, was erreicht wurde – nicht was es gekostet hat, sondern was es verändert hat.

5) Psychologie der Umstellung

Menschen vertrauen nicht Zahlen, sondern Mustern. Deshalb wirkt ein sauberer Prozess stärker als jede PowerPoint-Folie über „Value-Based Pricing“.

  • Zeig Berechenbarkeit im Unberechenbaren: Klare Intervalle, messbare Outcomes, feste Check-ins.
  • Vermeide Überversprechen: „Wir wissen es noch nicht“ ist ehrlicher als „Das garantiert sich auszahlen“.
  • Baue Rituale ein: kurze, regelmäßige Ergebnis-Reviews stärken Vertrauen mehr als finale Präsentationen.

6) Wann Kunden bereit sind

Die besten Signale, dass eine Organisation für Wertmodelle offen ist:

  • Sie hat interne KPIs, die über Output hinausgehen (z. B. Qualität, Kundenzufriedenheit, NPS).
  • Sie spricht über Wirkung, nicht nur über Termine.
  • Sie hat Budgetautonomie auf Projekt- oder Abteilungslevel.
  • Sie fragt: „Was brauchen Sie, um das Ergebnis sicherzustellen?“ statt „Wie viele Stunden dauert das?“

Fehlen diese Signale, beginne hybrid: 50 % fix, 50 % erfolgsabhängig. Das fühlt sich für beide Seiten sicher an.

7) Schlussgedanke

Vertrauen wächst nicht aus Pitchdecks, sondern aus gelebter Berechenbarkeit.
Der Weg raus aus dem Stundenmodell ist kein Kampf gegen Excel,
sondern ein Lernprozess für beide Seiten: zu erkennen, dass Zahlen nicht alles,
aber Klarheit über Wirkung alles ist.

Wer Excel respektiert, ohne sich ihm zu unterwerfen, schafft die Brücke zu echtem Vertrauen.


Weiterführend:
Teil 1 – In Maschinenstunden verrechnet
Teil 2 – Wert statt Stunden

Wert statt Stunden – ein Praxis-Framework ohne Bullshit

Follow-up zum Essay „In Maschinenstunden verrechnet

„Wir rechnen in Stunden, aber wir leben in Ideen.“ — Das Mantra ist schön. Hier ist die Bedienungsanleitung.

1) Leitgedanken in einem Satz

Wir verkaufen nicht Zeit, sondern Risikoübernahme + Wirkung. Preise spiegeln die erwartete Veränderung beim Kunden, nicht unsere Kalenderlage.

2) Der 5-Schritte-Pfad von Stunden zu Wert

  1. Ausgangslage klären: Was ist heute schmerzhaft, teuer oder langsam? (Baseline festhalten, z. B. Conversion, Time-to-Market, Ticket-Backlog, CAC.)
  2. Zielbild definieren: Was wäre in 3–6 Monaten „spürbar besser“? (Max. drei Outcome-Metriken, qualitativ + quantitativ.)
  3. Hebel auswählen: Welche 2–3 Initiativen haben die größte Wirkung? (Alles andere parken.)
  4. Preislogik ableiten: Projektpreis = erwarteter Nutzen × fairer Teilhabefaktor ± Risikoaufschlag.
  5. Review-Ritual verankern: Alle 4 Wochen Outcome-Check: behalten, beschleunigen, beenden.

3) Drei faire Preisformate

  • Projektfestpreis mit Checkpoints: Klarer Scope, gestaffelte Meilensteine, Abbruchklausel bei Verfehlung der Zwischenziele.
  • Retainer + Erfolgskomponente: Monatlicher Grundbetrag für Kapazität & Fokus, plus Bonus bei Erreichen vereinbarter KPIs.
  • Optionen-Menü: Drei Pakete (Essentials, Focus, Bold) – nicht „klein/mittel/groß“, sondern strategisch verschieden in Risiko und Zeithorizont.

4) Outcome-KPI, die nicht lügen

  • Wachstum: Conversion-Rate, Wiederkaufrate, qualifizierte Leads pro Woche.
  • Effizienz: Time-to-Change, Deployment-Frequenz, Ticket-Durchlaufzeit, Incident-MTTR.
  • Wirtschaftlichkeit: CAC/LTV-Verhältnis, Warenkorbhöhe, Churn-Rate.
  • Erlebnis: NPS/CSAT, Task-Success-Rate, Support-Kontaktquote pro 1.000 Sessions.

Wichtig: Immer eine qualitative Metrik ergänzen (z. B. Sales-Feedback, Nutzerzitate), sonst optimierst du nur Zahlenspiele.

5) Gesprächsleitfaden für das erste Wert-Briefing

  1. „Woran merken Sie, dass das Projekt erfolgreich war?“ (notiere wörtlich)
  2. „Welche Zahl darf sich um wie viel verändern?“ (Baseline + Zielkorridor)
  3. „Was ist heute die teuerste Reibung?“ (Kosten der Untätigkeit)
  4. „Welche Zwischenergebnisse geben Ihnen Sicherheit?“ (Meilenstein-Evidenz)
  5. „Was darf auf keinen Fall passieren?“ (No-Go-Risiken, damit du Schutzgeländer einbauen kannst)

6) Risiko transparent machen (und fair bepreisen)

Preis enthält immer eine Einschätzung von Ungewissheit. Mach sie sichtbar:

  • Variabilität: unbekannte Abhängigkeiten, Datenqualität, Legacy-Schulden.
  • Mitwirkung: Verfügbarkeit von Stakeholdern, Zugang zu Systemen, Entscheidungsgeschwindigkeit.
  • Externe Faktoren: Saisonalität, Marktveränderungen, Compliance.

Für jedes Risiko: Gegenmaßnahme, Indikator, Abbruchklausel. So wird der Preis nachvollziehbar.

7) Minimal-Artefakte, die Vertrauen schaffen

  • One-Pager „Warum jetzt“: Problem, Zielbild, drei Hebel, Baseline-KPIs.
  • Roadmap auf einer Seite: 3 Phasen, 2–3 Outcomes, Checkpoints mit Datum.
  • Definition of Success: „Projekt gilt als erfolgreich, wenn …“ (max. 5 Bulletpoints)
  • Stop-Regel: „Wir stoppen oder pivoten, wenn …“ (verhindert Zombiemodus)

8) Typische Einwände – und ehrliche Antworten

„Wir wollen aber Stunden sehen.“
Gern für Transparenz – als Controlling, nicht als Leitwährung. Unsere Zielgröße bleibt der Outcome.

„Können Sie den Erfolg garantieren?“
Nein. Aber wir teilen Risiko: Checkpoints, Abbruchklausel, Bonus/Malus. Und wir vereinbaren nur Ziele, die wir beeinflussen können.

„Warum ist Paket B teurer, obwohl es weniger Features hat?“
Weil es das Risiko schneller reduziert. Preis folgt Wirkung, nicht Feature-Zählung.

9) Kultur: So bleibt’s kein PowerPoint-Theater

  • Wöchentliche 30-Min Outcome-Reviews: drei Charts, drei Sätze, drei Entscheidungen.
  • „Kein Deckblatt ohne Baseline“-Regel: jede Präsentation zeigt Ausgangswert und aktuellen Stand.
  • „Kill a Darling“-Ritual: pro Monat eine liebgewonnene, aber wirkungsarme Aktivität beenden.

10) Schlussgedanke

Wertbasiertes Arbeiten ist kein Preisschild-Trick, sondern eine Haltungsänderung: Wir lassen uns an Wirkung messen, nicht an Kalenderfüllung. Das ist anstrengender – und genau deshalb unverwechselbar.

In Maschinenstunden verrechnet – Warum Agenturen, die Zeit verkaufen, ihre Seele verscherbeln

 

„Ich glaube nicht an das Zeit-gegen-Geld-Prinzip. Ich glaube an Wirkung.“
— (frei nach einem Gespräch mit einem klugen Kreativen)

1. Ausgangspunkt: Warum überhaupt Maschinenstunden?

Fast jede Agentur kennt das Modell: Du sagst, wie viele Stunden du für Design, Konzept, Entwicklung brauchst — und multiplizierst mit einem Stundensatz.
Das ist schlicht und direkt: Zeitmessung → Multiplikation → Rechnung.

Viele Gründe sprechen dafür, besonders bei kleineren Projekten oder wenn der Kunde strikt nach Stunden abrechnen möchte:

  • Die Transparenz ist naheliegend — Kunde sieht, wie viele Stunden gemacht wurden.
  • Das Controlling ist einfacher: du kannst geplante Stunden gegen tatsächliche Stunden prüfen.
  • Es skaliert: mehr Leute, mehr verkaufbare Stunden → mehr Umsatz (theoretisch).

Doch dieses Modell bringt systemische Verzerrungen mit sich.

2. Die Paradoxie der Effizienz: Wenn weniger Arbeit weniger Umsatz heißt

Eine zentrale Kritik: Sobald du effizienter wirst, sinkt dein Umsatz — wenn du weiterhin nach Stunden abrechnest.
Dieses Produktivitätsparadoxon der Stundenabrechnung zeigt sich, wenn bessere Technik oder Erfahrung Aufgabenzeit halbiert, aber auch die „verkäufliche Zeit“ schrumpft.

  • Wenn eine Aufgabe schneller fertig wird, versucht das System sie zu verlängern: Meetings, Absicherungen, Dokumentationen.
  • Der Druck, Stunden voll zu schreiben, erzeugt Fehlanreize: lieber „Zeit füllen“ als fokussiert liefern.
  • Der Kunde kann kritisch werden, wenn „zu wenig Stunden“ abgerechnet werden — er denkt dann, man hätte nicht genug gearbeitet.

3. Verlagerte Kosten & unsichtbare Arbeit

Nicht alle Stunden sind „produktiv“ oder fakturierbar. Praxis unterscheidet zwischen
billable hours (Kundenzeit) und non-billable hours (z. B. interne Meetings, Prozesse, Weiterbildung, Verwaltung).
Viele Stunden im Agenturalltag verschwinden in Nebenschauplätzen, die nicht direkt zu Einnahmen führen — aber Kosten verursachen.

Wenn die Kalkulation nur die fakturierbaren Stunden betrachtet, wird der tatsächliche Stundensatz über die gesamte Zeit unterschätzt
und Deckungsbeiträge verwässern.

4. Die ethische Krux: Anreizverschiebung und Misstrauen

Stundenabrechnung setzt einen Incentive, Arbeit auszudehnen: lange Diskussionen, „Just-in-case“-Revisionen, Absicherungsaufwand.
Kund:innen misstrauen dem Modell oft, da sie „Aufblähung“ befürchten; in Branchen wie Kanzleien wird der Billable-Hour-Kult seit Jahren kritisiert.

5. Die Alternative: Wert statt Zeit verrechnen

Was wäre, wenn eine Agentur nicht Maschinenstunden verkauft, sondern Produkte, Ergebnisse, Wirkung?
Das Modell heißt oft Value-Based Pricing bzw. wertbasierte Projektpreise.

Vorteile

  • Belohnung für Wirkung, nicht für Aufwand.
  • Innovation und Effizienz werden positiv incentiviert.
  • Kund:innen wissen vorher, was sie zahlen.
  • Beziehung wird partnerschaftlicher: Lösung statt Zeitbündel.

Hürden & Kritik

  • Wert zu messen ist schwieriger — vor allem extern kommunizierbar.
  • Kund:innen müssen umdenken: gewohnt ist „Zeit kaufen“.
  • Dienstleister trägt mehr Risiko, wenn der Wert nicht eintritt.
  • In stark standardisierten Märkten ist Differenzierung schwieriger.

6. Ein hybrider Ansatz: Stunden + Wert + Retainer

Erfolgreiche Agenturen kombinieren Modelle:

  • Retainer: monatlicher Fixbetrag für Vertrauen & Planbarkeit.
  • Leistungsbasierte Boni: Aufschlag bei erreichten KPIs.
  • Stunden für klar definierte Zusatzleistungen (z. B. Ad-hoc Support).
  • Deckungsbeitragsrechnung intern, um faire Preisanker pro Leistung zu ermitteln.

7. Eine Beispielrechnung (fiktiv)

Zwei Agenturen, A und B, liefern dieselbe Website:

  • Agentur A rechnet 100 Stunden × 100 €/h = 10.000 €.
  • Agentur B kalkuliert Wert: Website bringt 50.000 € Mehrumsatz, nimmt 20 % → 10.000 €.

Beide Preise gleich — aber Gewinne differieren:
Wird A effizient und braucht nur 80 Stunden, sinkt ihr Umsatz auf 8.000 €.
B kann schneller liefern und behält 10.000 €, solange der Wert realisiert wird.

8. Fazit

Agenturen, die in Maschinenstunden denken, verkaufen ihre Fähigkeit, Zeit zu managen.
Das führt zu paradoxem Effizienzdruck, versteckten Kosten, Entfremdung von Wirkung und einem dauerhaften Misstrauensspiel mit Kund:innen.

Der radikalere Ansatz ist: in Wert denken.
Wirkung liefern, Nutzen argumentieren, Risiken teilen — und so eine Partnerschaft statt eines Taktgebers bauen.
Der Übergang ist ein Prozess, der Mut, Transparenz und solide Preislogiken braucht.

Wer in Maschinenstunden rechnet, verkauft Zeit. Wer in Wert rechnet, verkauft Zukunft.


Quellen & weiterführende Hinweise

Hinweis: Die obigen Quellen beleuchten Stunden- vs. Wertmodelle in unterschiedlichen Branchen (Agenturen, Kanzleien, Services)
und sind als Impuls zur Übertragbarkeit auf Digitalagenturen gedacht.