Ein paar Gedanken, keine fertigen Thesen. Ich beobachte nur – und manchmal wundere ich mich.
Disclaimer: Kein Rechtsrat. Nur ein Versuch, Ordnung in ein Thema zu bringen, das sich selbst ständig neu erfindet – und dabei immer wieder an den alten Strukturen hängen bleibt.
Verträge, die mehr über uns sagen, als uns lieb ist
Ich habe in den letzten Jahren viele Verträge gesehen. Manche waren so alt, dass man spürte, sie stammen aus einer Zeit, in der man Faxnummern noch ernsthaft in Kontaktlisten schrieb.
Andere so modern, dass man sie kaum noch verstand. Zwischen beiden Extremen liegt die Realität: Verträge sind immer auch ein Spiegel der Kultur, in der sie entstehen.
Wenn wir also über New Work reden, dann müssen wir auch über Verträge reden.
Denn sie zeigen, ob wir wirklich etwas verändert haben – oder nur neue Begriffe auf alte Gewohnheiten geklebt.
Die Stechuhr, die niemand wollte, aber alle brauchen
Der EuGH hat entschieden, das Bundesarbeitsgericht hat nachgezogen: Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit erfassen.
Kein Interpretationsspielraum, kein Wenn und Aber. Nur das passende System fehlt noch.
Das Interessante ist: Die Entscheidung war nie das Problem.
Das Problem war, dass wir Zeiterfassung mit Misstrauen verwechseln.
Dabei ist sie, richtig gedacht, ein Schutzmechanismus.
Nicht gegen den Arbeitgeber, sondern gegen die Entgrenzung.
Weil „flexibel arbeiten“ schnell heißt: immer erreichbar.
Weil „Vertrauen“ zu oft bedeutet: kein Plan, wann du aufhörst.
Die Zeiterfassung ist also nicht das Ende von New Work.
Vielleicht ist sie ihr Realitäts-Check.
Wenn Ziele nur so tun, als wären sie klar
Ich habe schon viele Kick-offs erlebt, in denen alle „an einem Strang ziehen“ wollten – bis sich herausstellte, dass niemand wusste, in welche Richtung.
Das ist kein böser Wille, sondern das Produkt unklarer Erwartungen.
Wir reden über Visionen, aber schreiben keine Definitionen.
In der Theorie klingt das nach Freiheit.
In der Praxis ist es ein Burnout auf Raten.
Ein Vertrag ist kein Gegner, sondern ein Geländer.
Er hilft, dass wir wissen, wann wir loslassen dürfen.
Frithjof Bergmann würde sich wundern
Der Begriff New Work stammt vom Philosophen Frithjof Bergmann.
Sein Ziel war nicht die nächste Version von „Work-Life-Balance“, sondern eine neue Definition von Arbeit selbst – als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.
Heute bedeutet New Work oft: Slack, Homeoffice und ein Obstkorb mit Applaus.
Selbstbestimmung? Eher Selbstorganisation.
Verantwortung? Ja, aber bitte im Rahmen des Projektplans.
Ich glaube, Bergmann würde schmunzeln.
Und dann sehr leise fragen: „Ist das wirklich neu?“
Zielvorgabe oder Zielvereinbarung?
Wenn man New Work ernst nimmt, dann sollte man über Sprache reden.
Es ist ein Unterschied, ob etwas vorgegeben oder vereinbart wird.
Das eine sagt: „Mach das.“
Das andere sagt: „Lass uns überlegen, wie wir’s schaffen.“
Ich kenne kaum ein Unternehmen, das beides verwechselt, ohne dass es am Ende wehtut.
Für Vertrauen braucht es klare Worte – nicht viele, aber echte.
Realität schlägt Vision – jeden Montagmorgen
Ich mag den Gedanken, dass Arbeit sich verändern kann.
Aber ich glaube auch, dass wir uns selbst gern vormachen, wir seien schon weiter, als wir sind.
Viele Unternehmen reden über Agilität, haben aber Angst vor echten Entscheidungen.
Sie reden über Vertrauen, kontrollieren aber Slack-Status.
Sie reden über Freiheit, zählen aber Minuten in Jira.
Vielleicht ist New Work gar kein Zustand.
Vielleicht ist es nur die höflichere Art, zu sagen:
„Wir versuchen’s wenigstens.“
Fragen, die bleiben
- Wie viel Freiheit kann ein Vertrag aushalten, bevor er seine Funktion verliert?
- Wie definieren wir Verantwortung, wenn Kontrolle nicht mehr der Maßstab ist?
- Wie kann ein Entwicklervertrag Freiheit und Schutz gleichzeitig bieten?
- Und was heißt eigentlich „vertrauensvoll zusammenarbeiten“, wenn keiner mehr die Zeit stoppt – aber alle erschöpft sind?