Wert statt Stunden – ein Praxis-Framework ohne Bullshit

Follow-up zum Essay „In Maschinenstunden verrechnet

„Wir rechnen in Stunden, aber wir leben in Ideen.“ — Das Mantra ist schön. Hier ist die Bedienungsanleitung.

1) Leitgedanken in einem Satz

Wir verkaufen nicht Zeit, sondern Risikoübernahme + Wirkung. Preise spiegeln die erwartete Veränderung beim Kunden, nicht unsere Kalenderlage.

2) Der 5-Schritte-Pfad von Stunden zu Wert

  1. Ausgangslage klären: Was ist heute schmerzhaft, teuer oder langsam? (Baseline festhalten, z. B. Conversion, Time-to-Market, Ticket-Backlog, CAC.)
  2. Zielbild definieren: Was wäre in 3–6 Monaten „spürbar besser“? (Max. drei Outcome-Metriken, qualitativ + quantitativ.)
  3. Hebel auswählen: Welche 2–3 Initiativen haben die größte Wirkung? (Alles andere parken.)
  4. Preislogik ableiten: Projektpreis = erwarteter Nutzen × fairer Teilhabefaktor ± Risikoaufschlag.
  5. Review-Ritual verankern: Alle 4 Wochen Outcome-Check: behalten, beschleunigen, beenden.

3) Drei faire Preisformate

  • Projektfestpreis mit Checkpoints: Klarer Scope, gestaffelte Meilensteine, Abbruchklausel bei Verfehlung der Zwischenziele.
  • Retainer + Erfolgskomponente: Monatlicher Grundbetrag für Kapazität & Fokus, plus Bonus bei Erreichen vereinbarter KPIs.
  • Optionen-Menü: Drei Pakete (Essentials, Focus, Bold) – nicht „klein/mittel/groß“, sondern strategisch verschieden in Risiko und Zeithorizont.

4) Outcome-KPI, die nicht lügen

  • Wachstum: Conversion-Rate, Wiederkaufrate, qualifizierte Leads pro Woche.
  • Effizienz: Time-to-Change, Deployment-Frequenz, Ticket-Durchlaufzeit, Incident-MTTR.
  • Wirtschaftlichkeit: CAC/LTV-Verhältnis, Warenkorbhöhe, Churn-Rate.
  • Erlebnis: NPS/CSAT, Task-Success-Rate, Support-Kontaktquote pro 1.000 Sessions.

Wichtig: Immer eine qualitative Metrik ergänzen (z. B. Sales-Feedback, Nutzerzitate), sonst optimierst du nur Zahlenspiele.

5) Gesprächsleitfaden für das erste Wert-Briefing

  1. „Woran merken Sie, dass das Projekt erfolgreich war?“ (notiere wörtlich)
  2. „Welche Zahl darf sich um wie viel verändern?“ (Baseline + Zielkorridor)
  3. „Was ist heute die teuerste Reibung?“ (Kosten der Untätigkeit)
  4. „Welche Zwischenergebnisse geben Ihnen Sicherheit?“ (Meilenstein-Evidenz)
  5. „Was darf auf keinen Fall passieren?“ (No-Go-Risiken, damit du Schutzgeländer einbauen kannst)

6) Risiko transparent machen (und fair bepreisen)

Preis enthält immer eine Einschätzung von Ungewissheit. Mach sie sichtbar:

  • Variabilität: unbekannte Abhängigkeiten, Datenqualität, Legacy-Schulden.
  • Mitwirkung: Verfügbarkeit von Stakeholdern, Zugang zu Systemen, Entscheidungsgeschwindigkeit.
  • Externe Faktoren: Saisonalität, Marktveränderungen, Compliance.

Für jedes Risiko: Gegenmaßnahme, Indikator, Abbruchklausel. So wird der Preis nachvollziehbar.

7) Minimal-Artefakte, die Vertrauen schaffen

  • One-Pager „Warum jetzt“: Problem, Zielbild, drei Hebel, Baseline-KPIs.
  • Roadmap auf einer Seite: 3 Phasen, 2–3 Outcomes, Checkpoints mit Datum.
  • Definition of Success: „Projekt gilt als erfolgreich, wenn …“ (max. 5 Bulletpoints)
  • Stop-Regel: „Wir stoppen oder pivoten, wenn …“ (verhindert Zombiemodus)

8) Typische Einwände – und ehrliche Antworten

„Wir wollen aber Stunden sehen.“
Gern für Transparenz – als Controlling, nicht als Leitwährung. Unsere Zielgröße bleibt der Outcome.

„Können Sie den Erfolg garantieren?“
Nein. Aber wir teilen Risiko: Checkpoints, Abbruchklausel, Bonus/Malus. Und wir vereinbaren nur Ziele, die wir beeinflussen können.

„Warum ist Paket B teurer, obwohl es weniger Features hat?“
Weil es das Risiko schneller reduziert. Preis folgt Wirkung, nicht Feature-Zählung.

9) Kultur: So bleibt’s kein PowerPoint-Theater

  • Wöchentliche 30-Min Outcome-Reviews: drei Charts, drei Sätze, drei Entscheidungen.
  • „Kein Deckblatt ohne Baseline“-Regel: jede Präsentation zeigt Ausgangswert und aktuellen Stand.
  • „Kill a Darling“-Ritual: pro Monat eine liebgewonnene, aber wirkungsarme Aktivität beenden.

10) Schlussgedanke

Wertbasiertes Arbeiten ist kein Preisschild-Trick, sondern eine Haltungsänderung: Wir lassen uns an Wirkung messen, nicht an Kalenderfüllung. Das ist anstrengender – und genau deshalb unverwechselbar.